Kontakt/Lichtsprüche Happy Birthday, ORION
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Geburtstagsgrüße von einem der dabei war
von Heinz Schulte
von Heinz Schulte
Ich kann bestätigen, dass der 17. September 1966 ein Samstag
war: An jenem Abend saß ich - frisch gebadet mit blau-weißen Frottee-Bademantel
- um 20.15 vor dem Schwarzweiß-Fernsehen und verfolgte das erste Abenteuer des
Schnellen Raumkreuzers ORION mit offenem Mund. Damals war ich 13 Jahre alt und
habe alle sieben Folgen im vierzehntägigen Abstand im Ersten Programm (gab es
1966 eigentlich zwei oder drei TV-Programme?) gesehen. Ich bin somit ORION-Fan
der allerersten Stunde!
Zeitsprung: Osterferien 1996 - ich möchte meinem 13jährigen Sohn eine Freude
machen und besorge das Video-Set der ORION-Serie. Was macht der undankbare
Sproß? Er hält sich bereits in der ersten Folge vor Lachen den Bauch und fragt,
ob wir "das damals wirklich geglaubt haben". Jawohl, haben wir. Zwei Gedanken
schießen mir durch den Kopf: Die Rache wird süß. Im Jahre 2015 wird mein
Enkelsohn seinen Vater - den ORION-Spötter von Ostern 96 - anbetteln, doch bitte
dieses komische VHS-Kassettengerät vom Speicher zu holen und "Star Wars"
einzulegen. Dann, mein lieber Sohn, wird sich mein Enkel vor Lachen schütteln
über den asthmatisch röchelnden Darth Vader oder Luke Skywalkers Laserschwert!
"Habt ihr damals wirklich geglaubt, dass die Kampfjets der Zukunft bemannt sein
werden?" wird er dir entgegenschleudern. Es gibt noch Gerechtigkeit im
Universum!
Ein zweiter Gedanke sei nach 30 Jahren Patrouillendienst am Rande der
Unendlichkeit allerdings gestattet: Was hat uns die ORION gelehrt? Wir wollen
nicht eingehen auf Hasso Sigbjörnsons Bügeleisen oder die transparenten
Trinkbecher in der Deckenverkleidung der ORION-Brücke. Kein Wort über den
Gebrauch von Gegenständen des täglichen Lebens an Bord des Schnellen
Raumkreuzers: In meiner Familie nutzte man 1966 den Brausekopf zum
Haarewaschen; auf der ORION sprach man hinein! (Wer mehr darüber erfahren will,
dem sei das ORION-Buch von Jörg Kastner anempfohlen. Seine persönliche Widmung
an mich "Zur Erinnerung an eine Zeit, als Bügeleisen noch Science Fiction
waren.") Die Serie hat beispielsweise das "Lean Management" - den ungeheueren
Abbau von Personal - vorhergesehen: Die ORION kommt mit fünf Mann/Frau
Besatzung Kommandant, Armierungsoffizier, Bordingenieur, Astrogator und
Raumüberwachungsoffizier (Leutnant Jagellovsk vom Galaktischen
Sicherheitsdienst / GSD ist kein Besatzungsmitglied im engeren Sinne) - aus. Die
ENTERPRISE von "Käptn' Kirk" hingegen hat mehrere Hundert! Ganz schön verwegen
war 1966 der Gedanke, dass der Befehlshaber der Schnellen Raumverbände - sprich
McLanes direkter Vorgesetzter - ein Frau ist: General Lydia van Dyke. Für einen
weiblichen Kommandanten bedurfte es bei der Serie Raumschiff ENTERPRISE erst
die dritte Generation!
Ebenso interessant ist aber auch das, was man 1966 noch nicht vorhergesehen hat:
die Miniaturisierung der Elektronik (das stachelige Computer-Ei an Bord der
ORION ist ein Design-Alptraum und wäre vom bayerischen TÜV niemals abgenommen
worden!). 1966 bewegte man sich noch physisch von der Kommandobrücke in den
Kampfstand oder den Maschinenraum. Schließlich fasziniert die Erkenntnis, dass
man Mitte der sechziger Jahre defekte Teile noch reparierte - mit überlangen
Schraubenschlüsseln - statt Module zu ersetzen. Vergessen wir nicht, 1966
mußte die Strumpfhose der mitfahrenden Freundin im Notfall als Keilriemen-Ersatz
im VW-Käfer herhalten. Nichtsdestotrotz, für uns war der Schnelle Raumkreuzer
ORION ein Quantensprung nach TV-Highlights wie "Jim Knopf und Lukas der
Lokomotivführer"! Und heute leiht Armierungsoffizier Mario de Monti (Wolfgang
Völz) "Käptn' Blaubär" seine Stimme.
Was ich noch fragen wollte! Dreißig Jahre später gibt es eine Reihe von
pragmatischen Fragen, die der Auflösung bedürfen. Waren die Raumanzüge der
ORION-Besatzung eigentlich aus atmungsaktiven, feuerhemmenden Mischgewebe? Es
scheint, als habe es bei den Raumverbänden bereits eine flache Hierachie-Struktur
gegeben, wie sie von Consultingfirmen wie Arthur Andersen immer wieder gefordert
wird. An Bord der ORION gibt es - mit Ausnahme des Kommandanten Major McLane -
nur den Dienstgrad Leutnant. Übrigens McLane: Er wird als Commander vorgestellt.
Es soll wohl Kommandant heißen, da der Dienstgrad Commander in der britischen
und amerikanischen Marine dem Fregattenkapitän / Oberstleutnant entspricht - so
ist beispielsweise James Bond Commander der Royal Navy. Gänzlich unannehmbar
wird die Situation aber, als am Ende der letzten Episode (
Invasion) McLane vom
Major - unter Umgehung des nächst höheren Dienstgrades - zum Oberst befördert
wird. Sicherlich ist Ordonnanz-Leutnant Spring-Brauner in dieser unerhörten
Angelegenheit beim Personalstammamt vorstellig geworden.
Die gute alte ORION lebte von herausragenden Schauspielern wie Wolfgang Büttner
in der Rolle des abtrünnigen Wissenschaftlers Tourenne (
Die Raumfalle). Büttner
hat meine Generation als Lagerarzt in der ersten großen TV-Serie "Soweit die
Füße tragen" in den Bann gezogen. Dreißig Jahre nach der Erstausstrahlung der
ORION will ich mich, als angesehener Familienvater und respektierter Bürger
meiner Gemeinde, outen: Im Gegensatz zu vielen anderen war ich nicht in Leutnant
Tamara Jagellovsk verknallt. Ich hätte, wenn keiner zugeschaut hätte, gern mit
General Lydia van Dyke den "Lancet Bossa-Nova" im Starlight-Casino getanzt.
Sei's drum, Happy Birthday ORION!